Die aktuelle Debatte um den Hoffnungsträger Künstliche Intelligenz vermittelt schnell den Eindruck, dass sich beinahe jede Aufgabe automatisieren ließe. Sprachmodelle wie ChatGPT, Gemini, CoPilot und Co formulieren präzise, fassen zusammen und beraten erstaunlich souverän. Gerade weil sie so überzeugend kommunizieren, wirkt vieles einfacher, als es in Wirklichkeit ist.

In unseren Beratungsfällen zeigt sich jedoch immer wieder: Die scheinbar einfachen Aufgaben haben oft die kompliziertesten Entscheidungsstrukturen. Und genau dort stoßen Automatisierungen schnell an Grenzen.

Warum „einfache“ Aufgaben für Systeme schwer sind

Das Moravec’sche Paradox beschreibt, dass Tätigkeiten, die für uns Menschen intuitiv und mühelos sind, für Maschinen besonders schwer zu automatisieren sind. Nicht weil sie intellektuell anspruchsvoll sind, sondern weil sie auf unzähligen Mikroentscheidungen beruhen, die wir oft nicht mal bewusst wahrnehmen.

Ein Beispiel: Gehen.

Wir denken nicht darüber nach, wie wir das Gleichgewicht halten, welche Muskeln wann aktiv sind oder wie wir Hindernisse einschätzen. Für Maschinen hingegen müssen all diese Abläufe explizit definiert, programmiert und ständig überwacht werden.

Ähnlich verhält es sich mit vielen scheinbar banalen Büroaufgaben: ein kurzer Blick, ein schneller Abgleich, ein spontaner Kontextcheck – für uns trivial, für Systeme, eine komplexe Zusammensetzung vieler Entscheidungen und Auswertungen.

Komplizierter als gedacht

In einem aktuellen Projekt wollten wir einen einfachen Arbeitsschritt automatisieren: das Finden eines bestimmten Werts in einer Preisliste. Ein Mensch erledigt das in fünf Sekunden.

Für ein KI-System ist dieser „Blick“ aber eine Kette von Entscheidungen, die man erstmal beim Prompten festlegen muss: Welche Werte sind relevant? Welche Ausnahmen gelten? Welche Formate? Welche Reihenfolge? Welche Abhängigkeiten?

Das Ergebnis: Die KI lieferte manchmal den korrekten Wert, manchmal völlig zufällige Zahlen, ohne ersichtlichen Grund. Dadurch entstand ein massiver Kontrollaufwand, der den Automatisierungsnutzen komplett aufhob.

Wir wechselten schließlich auf eine technische Lösung, die stabiler für Zahlen und Logik ist: Excel. Das funktionierte, allerdings erst mit mehreren verschachtelten Formeln, einem Entscheidungs-Flowchart und einer 11-seitigen Dokumentation. Und jede Formatänderung würde erneut Anpassungen erfordern.

Alles für eine Aufgabe, die ein Mensch in wenigen Sekunden zuverlässig erledigt.

Was wir daraus lernen

Automatisierung ist nicht bei allen Aufgaben sinnvoll. Die Automation von Aufgaben funktioniert am besten wenn:

  • Prozesse stabil und eindeutig sind,
  • Entscheidungsschritte klar beschreibbar sind,
  • Ergebnisse zuverlässig überprüfbar sind.

Gerade die „einfachen“ Tätigkeiten zeigen jedoch: Unsere menschliche Intuition ist oft die effizientere Technologie. Manchmal ist Nicht-Automatisieren nicht nur sinnvoll, sondern schlicht die bessere Lösung.

Mehr erfahren

Wer mehr über das Moravec’sche Paradox erfahren möchte, kann einen Blick auf das Buch „Mind Children: The Future of Robot and Human Intelligence“ von Hans Moravec werfen, das zum Teil auf Google Books verfügbar ist. Hier geht’s zum Buch auf Google Books.

Ein weiteres nützliches und unterhaltsames Video zu diesem Thema ist der YouTube-Clip „Computer Scientist Explains One Concept in 5 Levels of Difficulty | WIRED“, in dem eine Expertin das Moravec’sche Paradox in fünf verschiedenen Schwierigkeitsgraden erklärt. Das Video ist auf Englisch, bietet aber eine interessante und leicht verständliche Erklärung des Paradoxons. Das Video finden Sie hier.

Literaturangabe

MORAVEC, Hans. Mind children: The future of robot and human intelligence. Harvard University Press, 1988.

Der Beitrag wurde von Nadine Struck verfasst, studentische Hilfskraft im Projekt Zukunftszentrum Berlin.

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